Mamawissen: Warum man Babys nicht nach vorne tragen soll
Man kann Tragetücher auch so binden, dass das Baby nach vorne schaut und es sind auch Tragehilfen wie beispielsweise der Baby Björn oder der Ergobaby 360 auf dem Markt, die genau mit dieser Trageweise werben. Viele Eltern denken, die sei gut für ihr Kind, kann es so doch mehr von der Welt sehen – und auch in Filmen sieht man immer wieder, dass Babys so getragen werden. Kinderärzte und Trageexperten raten von dieser Trageweise allerdings ab. Warum, das lest ihr hier.
Dass man Babys nicht mit dem Blick nach vorne tragen soll, liest man in jeder Tragegruppe und in jedem Trageforum. Das Vorwärtstragen wird von Trageberaterinnen geradezu verteufelt. Aber warum eigentlich? Das wollte ich genauer wissen und machte mich auf die Suche nach Quellen für diese Behauptung.
Körperliche Gründe gegen das Vorwärtstragen
Säuglinge mit dem Blick nach vorne zu tragen sei schädlich für die noch weichen Hüftgelenke des Babys, sagte Wolfram Hartmann 2012, er war damals Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Werde das Kind mit dem Rücken zum Tragenden transportiert, würden die Beine durch das Eigengewicht gestreckt. Und das sei dann nicht mehr gesund, so der Kinderarzt Hartmann, weil dadurch die Hüftgelenke geschädigt werden könnten. Außerdem kann es bei Jungs bei dieser Trageweise zu Hodenquetschungen kommen, bei Mädchen drückt das ganze Gewicht auf die Schamlippen.
Das gilt vor allem für Babys unter fünf Monaten und so empfiehlt selbst der Hersteller Babybjörn, Kinder aus körperlichen Gründen frühestens mit fünf Monaten mit Gesicht nach vorne zu tragen. Bis dahin seien die Hüftgelenke der Kleinen richtig zusammengewachsen und auch die Rücken- und Nackenmuskulatur sei weit genug entwickelt, um auch einmal eine Weile mit geradem Rücken zu sitzen.
Ich habe auch die Verhaltensbiologin, Trageexpertin und Buchautorin Evelin Kirkilionis kontaktiert und sie gefragt, warum das Tragen mit Blick nach vorne nicht empfohlen wird. Auch sie sagt, das könne schädlich für die Hüftentwicklung sein. Außerdem erklärt sie, dass vor allem im Neugeborenenalter eine direkte und massive Unterstützung im Brust- und Lendenwirbelbereich wichtig ist, die für eine aufgerichtete Haltung sorgt. Und diese Unterstützung des Rückens ist nicht gegeben, wenn das Kind nach vorne getragen wird. Vielmehr wird das Kind durch die Träger des Tragetuches oder der Tragehilfe oft in eine sehr aufrechte Position gedrückt, die im schlimmsten Fall die Entwicklung eines Hohlkreuzes begünstigt. Nach vorne tragen ist also schlecht für die Hüften und für den Rücken des Babys.
Wer schon mal selbst ausprobiert hat, ein Baby mit dem Blick nach vorne zu tragen (ich habe das für einen Tragehilfentest getan), der merkt schnell, dass diese Art des Tragens auch für den Tragenden alles andere als bequem ist. Mit dem Blick nach vorne kann sich das Kind nämlich nicht an den Tragenden schmiegen und dadurch verlagert sich der Schwerpunkt nach vorne – und das belastet den Rücken der tragenden Person zusätzlich.
Es droht Überreizung
Evelin Kirkilionis verweist auch darauf, dass sich das Kind nicht ankuscheln kann, wenn es mit Blick nach vorne getragen wird. Der Blickkontakt mit dem tragenden Elternteil ist dann nicht mehr gegeben und das Baby wird von unzähligen visuellen Reizen überflutet, von denen es sich nicht abwenden kann. Viele Babys werden dadurch unruhig und fangen an zu weinen. Eine mögliche Folge könne auch sein, dass das Kind schlecht einschläft oder schläft, weil es viele Reize nicht verarbeiten konnte, so Kirkilionis. Aus dem gleichen Grund sollten kleine Babys auch im Kinderwagen immer zum Schiebenden schauen.
Auch dem Hersteller Ergobaby ist diese Problematik bewusst. Deshalb schreibt er auf seiner Seite: “Wir sehen die Fronttrageweise in Blickrichtung als eine zusätzliche Option für kurze und aktive Tragezeiten (10-15 Minuten) und nicht als Haupttrageweise über mehrere Stunden.”
Babys nach vorne tragen sollte man also wenn überhaupt erst wenn sie älter als fünf Monate alt sind und dann auch nur kurzzeitig in ruhigen, reizarmen Umgebungen, wie beispielsweise zu Hause.
Alternativen zum Vorwärtstragen
Wenn sich Kinder unentwegt mit den Armen vom Körper der Eltern wegdrücken, weil sie mehr sehen wollen, dann empfiehlt Kirkilionis den seitlichen Hüftsitz. Ein Kind, das auf der Hüfte sitzt, hat ein weites Sichtfeld, es kann sein Gesicht aber auch zum Körper hinwenden. Das seitliche Tragen ist aber nicht für alle Eltern gut, denn manchmal wird der Rücken zu stark belastet.
Dann ist die Rückentrageweise besser, bei der die Kinder über die Schultern hinweg nach vorne schauen können. Dabei ist zwar kein direkter Blickkontakt möglich, aber das Baby kann sich von der Umwelt abwenden und hat eine größere Berührungsfläche mit der Mutter als beim Tragen in Laufrichtung.
Foto: Flickr/Suzanne Shahar unter CC BY-ND 2.0, Mamaclever
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aber das gesicht an die brust der mutter: hat dies nicht den effekt, dass beim zur seite legen des babykopfes die halswirbelsäule stundenlang verdreht wird? ist hier ein hws-syndrom nicht vorprogrammiert? lieben gruss und danke.
Hallo…Ich muss sagen, dass ich das nicht wusste, ich dachte das es gleich ist. Aber danke für den Artikel, hat mir echt geholfen…Wir machen immer wieder solche Fehler die für unsere Babys nicht gerade gesund sind.