Geschwisterstreit: Das hilft genervten Eltern

Wie man vermeiden kann, dass Geschwister ständig streitenIm Schnitt streiten Geschwister sechs Mal innerhalb einer Stunde – das kann ganz schön an den Nerven der Eltern zehren. Wie verhindert man Geschwisterstreit und wie schlichtet man ihn? Antworten darauf gibt Nicola Schmidt in ihrem Buch “Geschwister als Team”.

Evolutionär gesehen sind Geschwister Rivalen – auch wenn sich Eltern wünschen, dass sie sich gut vertragen. Ein gewisses Maß an Geschwisterstreit wird es in jeder Familie geben, und das ist auch gut so, denn Streit hilft Kindern, das Lösen von Konflikten zu üben und zu lernen. Aber sechs Mal pro Stunde Gezank und Geschrei im Kinderzimmer – das muss nicht sein. Eltern können es bis zu einem gewissen Grad steuern, wie viel ihre Kinder streiten und vor allem wie sie streiten. Wie sie das schaffen, darum geht es in dem Buch Geschwister als Team – Ideen für eine starke Familie* von Wissenschaftsjournalistin Nicola Schmidt, die auch Gründerin des artgerecht-Projekts ist.

Eltern sollten sich klarmachen, dass Geschwister einander nicht lieben müssen. Das könne man nicht von ihnen verlangen, schreibt Nicola Schmidt. Sie sollten aber lernen, einander zu respektieren und anständig miteinander umzugehen.

Wenn der Altersabstand zwischen Geschwistern zwischen zwei und drei Jahre beträgt, oder wenn sie das gleiche Geschlecht haben, kommt es zu besonders viel Streit. Dies ist allerdings ein Punkt, den Eltern im Nachhinein nicht mehr ändern können. Andere Dinge können sie dagegen durchaus beeinflussen.

Was Eltern unbedingt vermeiden sollten

Drei Dinge sind laut Nicola Schmidt besonders wichtig, um das Thema Geschwisterstreit einzudämmen:

1. Die Kinder nicht vergleichen

Das eine Kind vor dem anderen für etwas loben, es zu bewerten und ihm Rollen zuzuschreiben, wie “Du bist doch meine Große”, “Du bist doch der Vernünftige”, all das schürt Neid und Missgunst zwischen Geschwistern, was wiederum zu mehr Streit führt

2. Niemals Partei ergreifen

Eltern sollten sich nie in die Rolle des Schiedsrichters drängen lassen, das kann nur schiefgehen, denn meist können sie nicht beurteilen, was wirklich vorgefallen ist. Deshalb: Spart euch Fragen wie “Wer war das”. Sagt stattdessen: “Mich interessiert gar nicht, wer angefangen hat, mich interessiert, wie wir diesen Nachmittag weiter friedlich verbringen können.” Und mit Sätzen wie „Jetzt entscheide ich, wer zuerst das Spielzeug bekommt und dann spielt ihr abwechselnd“ oder „Dann kriegt eben keiner die Puppe, spielt mit etwas anderem!“ fördern Eltern nur weiteren Streit- das zeigen Studien. Kinder lernen so nicht, ihre Konflikte zu lösen – das übernimmt ja der Erwachsene für sie. Stattdessen sollten Eltern im Streitfall Zuhörer, Coach und Vermittler sein.

3. Nicht ausrasten

Das ist vielleicht der schwierigste Punkt im oft stressigen Familienalltag. Wenn Eltern ausrasten, dann lernen die Kinder nicht, wie man starke Gefühle reguliert. Dabei sollen sie doch gerade lernen, Konflikte durch Selbstregulation und Verhandlung zu lösen. Und deshalb müssen wir als Eltern das auch vorleben.

Praktische Tipps: Wie Eltern bei Geschwisterstreit richtig reagieren

Eines sollten sich Eltern immer wieder klarmachen: Kinder streiten nicht, um uns zu ärgern. “Sie tun es, weil ihr Gehirn halt noch nicht fertig ist, sondern erst noch wachsen, reifen und trainieren muss”, schreibt Schmidt. Zudem gehe es beim Streit unter Geschwistern vor allem um die Aufmerksamkeit der Eltern. Wer sich das immer wieder vor Augen führt, dem gelingt es leichter, bei Geschwisterstreit nicht gleich an die Decke zu gehen und ihn stattdessen als Chance zu nutzen, Kindern beizubringen, wie man sich auf Regeln einigt, welche moralischen Kodizes gelten und wie man verschiedene Interessen unter einen Hut bekommt.

Eingreifen oder nicht eingreifen?

Das kommt darauf an, um welche Art von Streit es sich handelt. Bei reinem Zanken, also wenn die Kinder sich ein bisschen zoffen, sich aber schnell wieder einkriegen oder auseinandergehen, müssen Eltern nicht eingreifen. Bei echtem Streit geht es meist um Interessenskonflikte, also beispielsweise darum, wer eine bestimmte Sache bekommt oder wer im Spiel welche Rolle übernehmen muss. Interessenskonflikte kann man lösen – und genau das sollte man den Kindern beibringe indem man eingreift. Und dann gibt es noch den gefährlichen Streit, bei dem sich die Geschwister gegenseitig mit Worten oder Taten verletzen. Da sollte man in jedem Fall eingreifen – weil sonst das Recht des Stärkeren gilt und das stärkere Kind nicht lernt, wie man Konflikte anders löst. Und das schwächere Kind leidet im schlimmsten Fall jahrelang vor sich hin und lernt nicht, für sich einzustehen.

So greifen Eltern richtig ein

Nicola Schmidt empfiehlt in ihrem Buch, dass Eltern weder den Detektiv noch den Schiedsrichter spielen, sondern sich selbst als Coach und Mediator sehen. Sie schlägt folgendes Vorgehen vor:

  1. Erst mal durchatmen, damit man ruhig bleiben kann, dann die Kinder beruhigen.
  2. Zuhören: Beide Kinder dürfen ihre Version des Streites schildern, damit der Druck raus geht. Eltern sollten sich alles bis zum Ende anhören, egal wie absurd sie es finden. So lernen Kinder, einander ausreden zu lassen.
  3. Wenn sich die Kinder beruhigt haben und sich alles von der Seele geredet haben, dann sollten Eltern zusammenfassen, was sie gehört haben und dabei vor allem die Gefühle beschreiben. Es geht nicht um die Ursachen oder Schuld, sondern darum, zusammenzufassen, was passiert ist und wie sich alle jetzt fühlen. Also in etwa so: Okay, Mattis, du bist richtig sauer, weil du glaubst dass deine Schwester mit Absicht dein Lego-Bauwerk zerstört hat? Und du Lilly bist sauer, weil du nicht mitspielen darfst und bist dann nur aus Versehen in das Lego gefallen? So lernen Kinder, die Gedanken und Absichten des anderen zu verstehen.Dann sollte man die Familienregeln noch einmal erklären, beispielsweise “Wir wollen uns keine Sachen wegnehmen” oder “Bei uns wird nicht gehauen”.
  4. Lösungen erarbeiten: Bei kleineren Kindern müssen die Eltern Lösungen anbieten. Im Beispiel könnte eine solche Lösung lauten: “Ich glaube, Mattis will alleine spielen, komm Lilly, wir gehen nach nebenan und wenn Mattis fertig ist, dann können wir ihn noch mal fragen, ob er mit dir spielt.” Sind die Kinder größer, dann helfen Eltern ihnen, selbst Lösungen zu finden. Entweder die Kinder haben selbst Vorschläge, oder sie werden vorsichtig in Richtung eines Kompromisses geleitet.
  5. Am Ende setzen die Eltern bei kleinen Kindern die Lösung um. Dabei geht es vor allem darum, die Bedürfnisse, die hinter dem Streit stecken, zu befriedigen. Bei älteren Kindern, so etwa ab sechs Jahren, verlassen Eltern den Ort des Geschehens und lassen die Kinder ihre Lösung selbst umsetzen.

Am Ende des Streites sollte immer eine Win-win-Situation bestehen bei der beide Kinder zu ihrem Recht kommen, betont Schmidt. Wenn Eltern so vorgehen, dann können Kinder irgendwann ihre Konflikte alleine lösen – so das Versprechen der Autorin. Das klingt anstrengend und zeitaufwändig, aber Nicola Schmidt sagt, man müsse nicht bei jedem Streit den Coach geben, es reiche, sich vielleicht einmal am Tag so einzuschalten.

In Nicola Schmidts Geschwister als Team – Ideen für eine starke Familie* gibt es noch viele weitere Informationen zum Thema Geschwister und auch Tipps, wie man am besten vorgeht, wenn das zweite Kind unterwegs ist, um die Grundlagen für eine gute Geschwisterbeziehung zu legen. Außerdem gibt die Autorin hilfreiche Tipps, wie man es als Elternteil schafft, ruhig zu bleiben angesichts ständigen Gezänks. Der Ratgeber ist im Kösel-Verlag erschienen und kostet als gebundenes Buch 18 Euro, als Kindle-Version* 13,99 Euro.

Foto: Mamaclever

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Eva Dorothée Schmid

Ich bin Journalistin und Mutter eines Sohnes (geb. 2012) und einer Tochter (geb. 2015), wohne in Hamburg und versuche als Mamaclever, Eltern fundierte Antworten auf alle Fragen zu geben, die sich mit Baby, Klein- oder Kindergartenkind so stellen.

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Eine Antwort

  1. Lulu sagt:

    Ich kann es gar nicht beschreiben. Im April 2017 ist Tessa geboren. Sie war ein Einzelkind und hat erstmal gelernt, dass sich die komplette Welt um sie dreht. Ich hatte den Plan, das sie ein kleines Geschwisterchen bekommt, mit dem sie spielen kann, aber auch sozialen Umgang trainieren kann. Nach nur 32 Schwangerschaftswochen bekam ich dann Zwillinge. Ein Junge, Anton, und ein Mädchen, Malina. Ich hatte von einer verantwortungsvollen großen Schwester geträumt. Mittlerweile ist Tessa 4 Jahre alt und Anton und Malina 2. Durch Covid 19 hingen die drei zwischenzeitlich ganz schön aufeinander. Anton und Malina halten als Zwillinge natürlicherweise zusammen. Allerdings fällt Malina nach und nach mehr auf, dass sie ein Mädchen ist, wie Tessa. Tessa hatte schon immer ein Faible für Einhörner und Malina mag Feen. Anton dagegen ist erklärter Formel 1-Sebastian Vettel-Fan. Mal gibt es ein “Klein-gegen-groß” und mal ein “Mädchen-gegen-Jungs” Aber durch Covid 19 haben alle drei, denke ich, dazu gelernt. Sie haben gelernt, dass sie sich mit Umständen arrangieren müssen und als Geschwister vielleicht auch ein Fest zusammenhaltendes Team sein können. Mal sehen, wie es weiter geht.
    PS: Gerade übernachten alle drei bei der Uroma, wo sie, obwohl es Reis geben sollte, Spaghetti bekommen haben und Abends um 19:00 Biene Maja geschaut wurde. Bei Uromas muss ja nicht alles perfekt sein, es ist selten genug🤣😁😆

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