Schnuller: Ja oder nein, welcher und wie lange?
Schnuller sind ziemlich umstritten, aber die meisten Eltern benutzen sie. Was sind die Vor- und Nachteile der Beruhigungssauger, wann sollte man sie dem Kind abgewöhnen und welche Form ist am besten, um Kieferfehlstellungen zu vermeiden?
Der Schnuller dient dazu, das Saugbedürfnis von Säuglingen und Kleinkindern zu befriedigen. Schnuller sind in Europa mindestens schon seit dem Mittelalter bekannt, wie bildliche Darstellungen zeigen. Bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein wurden sie als nützlich angesehen, dann gab es eine Anti-Schuller-Bewegung. Heutzutage gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, ob Schnuller schädlich sind oder nicht. Fakt ist allerdings, dass in westlichen Ländern 75 bis 85 Prozent der Kinder einen Schnuller benutzen.
Vorteile von Schnullern
Schuller haben einige Vorteile: Sie dienen als Einschlafhilfe und als Tröster, zudem kann Nuckeln Schmerzen lindern. Deshalb geben Eltern ihrem Kind häufig einen Nuckel, wenn sie unter Koliken leiden oder sich nicht anders trösten lassen. Für Frühgeborene kann das Saugen am Schuller sehr hilfreich sein. Studien haben herausgefunden, dass Frühchen auf diese Weise schneller mit der Flasche gefüttert werden können und die Nahrung nicht mehr über eine Sonde bekommen müssen, bei ihnen kann der Beruhigungssauger als den Krankenhausaufenthalt verkürzen. Es gibt auch Studien, die Hinweise darauf geben, dass ein Schnuller helfen kann, das Risiko für den Plötzlichen Kindstod zu senken, allerdings ist dies noch nicht zweifelsfrei belegt.
Nachteile der Nuckel
Dem gegenüber stehen die Risiken, die mit dem Schnuller einhergehen. Ein Schnuller von Anfang an kann das Stillen behindern. Empfehlungen lauten deshalb, seinem Baby zumindest in den ersten vier bis sechs Lebenswochen keinen Schnuller zu geben – so lange, bis Mutter und Kind sich an das Stillen gewöhnt haben und der Stillvorgang etabliert ist.
Zudem gibt es einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen anhaltendem Schnullergebrauch und dem Auftreten von Mittelohrentzündungen. Man vermutet, dass Schnullernuckeln eine Infektion begünstigt, die vom Mund in die Eustachische Röhre (das ist die Verbindung zwischen Mittelohr und Nasen-Rachen-Raum, auch Ohrtrompete genannt) wandert. Schnuller erhöhen außerdem das Risiko von Infekten mit Folgen wie Erbrechen, Fieber, Durchfall und Koliken.
Dazu kommt, dass der Dauergebrauch von Schuller und auch ständiges Daumenlutschen der Kiefer- und Zahnentwicklung schaden, vor allem dann, wenn die Milchzähne ausfallen und die bleibenden Zähne kommen und das Kind immer noch Trost beim Nuckeln sucht. Der lutschoffene Biss tritt am häufigsten und ehesten auf. Dabei klaffen die Schneidezähne auseinander und stehen vor. Normale Zischlaute sind nicht mehr möglich, das Kind lispelt. Die Zungenspitze legt sich zwischen die Schneidezähne. Kommen nun noch Zungenfehlfunktionen hinzu, ist eine Selbstheilung nahezu ausgeschlossen. Dann kann nur noch ein Kieferorthopäde und Logopäde mit einer langwierigen und oft als lästig empfundenen Behandlung helfen.
Und außerdem behindert der Gebrauch eines Schullers die Sprachentwicklung. Mit Schnuller im Mund kann das Baby nicht Brabbeln und es kann sich schlechter unterhalten – dies sind aber wichtige Entwicklungsschritte beim Spracherwerb.
Schnuller: Je seltener und kürzer, desto besser
Alles in allem überwiegen die Nachteile, deshalb ist es (außer bei Frühgeborenen) am besten, wenn das Kind keinen Schuller hat. Ein Schnuller als Trostspender ist aber in jedem Fall dem Daumennuckeln oder der Nuckelflasche vorzuziehen.
Wenn es doch einen braucht bzw. bekommt, sollte man einige Punkte beachten. Je länger das Kind am Schnuller nuckelt, desto größer ist der negative Einfluss. Deshalb sollte man den Schnuller nie anbieten, sondern ihn dem Kind nur dann geben, wenn es ausdrücklich danach verlangt. Am besten ist es, ein quengelndes oder weinendes Kind durch körperliche Nähe zu beruhigen und mögliche Ursachen für das Unwohlsein zu beseitigen und nur wenn alles nichts hilft, den Schnuller zu geben. Der Schnuller sollte auch nachts möglichst aus dem Mund genommen werden.
Und man sollte ihn rechtzeitig abgewöhnen. Experten sind der Meinung, dass ein Kind spätestens bis zum 2. Lebensjahr, jedoch allerspätestens mit 3 Jahren keinen Schnuller mehr nehmen sollte, da dann alle Milchzähne da und lang genug sind, um Kräften eine Angriffsfläche zu bieten.
Welche Schnullerform verursacht die geringsten Schäden?
Es werden drei Formen des Mundteils (Sauger) unterschieden: die runde Kirschform, die vorne abgeschrägte, der Mundhöhle angepasste Gaumenform sowie der Stufensauger, der unter dem Namen Dentinox vertrieben wird. Zudem werden Schnuller in drei Größen angeboten, Experten wie Rolf-Werner Brockhaus oder Mathilde Furtenbach raten dazu, immer bei der kleinsten Schnullergröße zu bleiben, denn je größer der Sauger ist, desto dicker ist auch der Schaft und desto größer ist die Gefahr einer Anomalie im Kiefer. Vor allem von Größe 3 wird abgeraten.
Viele Hersteller werben damit, dass ihre Schnuller kiefergerecht oder zahnfreundlich sind. Unabhängige wissenschaftliche Studien gibt es allerdings nur wenige. Eine hat ein Zahnärzteam um Stefan Zimmer an der Universität Witten/Herdecke gemacht und in der Zeitschrift Petiatric Dentistry (Jan/Feb 2011) veröffentlicht. Dabei wurden drei Gruppen von Kindern verglichen: Eine benutze einen normalen Schnuller von der Firma Nuk, eine einen Dentistar und die dritte Gruppe war schnullerlos. Von insgesamt 121 Kindern, die über 26 Monate hinweg untersucht wurden, zeigten 38 Prozent der „Normalschnuller-Kinder” einen offenen Biss, bei denen, die einen Stufenschnuller verwendeten, waren es nur 5 Prozent. Und bei den Kindern ohne Schnuller gab es überhaupt keine Zahn- oder Kieferfehlentwicklungen.
Unabhängig von diesen Ergebnissen, die für den Dentistar*sprechen, der auch mit dem Zahnmännchen der Aktion zahnfreundlich e.V. ausgezeichnet wurde, sagt Mathilde Furtenbach, Logopädin aus Innsbruck, die schon viele Jahre am Thema Schuller arbeitet, dass man auf folgende Merkmale eines Schnullers achten sollte:
- niedriger, d.h. flacher Schnullerschaft
- möglichst flaches, kleines, querovales Lutschteil
- möglichst flexibles und bewegliches Lutschteil
- möglichst geringes Gewicht des Schnullers und keine Schnullerkette, denn die erhöht das Gewicht zusätzlich
Neben den zu großen Lutschteilen ist ein dicker Schaft, das ist die Verbindung zwischen Lutschteil und Lippenschild, Verursacher von Anomalien wie lutschoffenem Biss und/oder Kreuzbiss, sagt auch der Zahnarzt Rolf-Werner Brockhaus, der sich seit vielen Jahren mit Schnullern beschäftigt und den Dentistar entwickelt hat. Die Zähne wachsen quasi krumm um den Schaft herum. Neben dem Stufenschnuller von Dentinox empfiehlt Brockhaus den Nuk Genius Gr. 2 in Latex.
Der Schild des Schnullers sollte vom Durchmesser her so groß sein, dass das Baby es nicht schafft, ihn ganz in den Mund zu nehmen. Wichtig ist auch, dass der Schild Löcher hat, die verhindern, dass sich der Schnuller zu sehr festsaugt. Wenn die Haut um die Lippen herum durch den Speichel gereizt ist, hilft vielleicht ein Schnuller, der ein extra luftiges Schild hat wie beispielsweise der Mam Air.
Latex oder Silikon: Das Material des Schnullers ist Geschmackssache
Moderne Schnuller bestehen entweder aus Silikon oder aus Naturkautschuk (Latex). Latex ist ein Naturprodukt, hat eine gelblich-bräunliche Färbung und riecht häufig mehr oder weniger stark nach Gummi. Latex verfomt sich leichter, es ist elastischer als Silikon, kann sich aber verfärben. Durch Sonneneinstrahlung und häufiges Auskochen wird der Latexsauger schneller porös. Dafür ist er sehr reißfest, Kinder können ihn mit ihren spitzen Zähnchen nicht so leicht zerbeißen. Zu bedenken ist aber, dass immer mehr Menschen eine Latexallergie entwickeln.
Silikon ist durchsichtig und geschmacksneutral und bleibt auch bei hohen Temperaturen formstabil. Das heute verwendete Silikon erreicht in Reiß- und Zugtests nahezu identische Werte wie Latex. Kein Vergleich mehr mit Silikonen früherer Generationen, aus denen Kinder mit ihren Zähnen Stücke herausbeißen konnten und Saugteile verschluckten, sodass es zu tragischen Unglücksfällen kam. Wenn sich ein Riss gebildet hat, reißt es allerdings sehr schnell ein, so dass der Schnuller dann sofort ausgetauscht werden muss. Stiftung Ökotest hat in einigen Silikonschnullern die PAK-Verbindung Naphthalin gefunden, die als krebserregend gilt. Man vermutet, dass diese etwa durch die Druckertinte des Beipackzettels oder Verpackungen aus Recyclingkarton in das Material gelangen.
Beide Materialien haben also Vor- und Nachteile und meist entscheidet das Kind, welchen Schnuller es akzeptiert und welchen nicht.
Weitergehende Informationen zum Thema Schnuller findet Ihr hier:
Beruhigungssauger.de
Empfehlungen von Mathilde Furtenbach
Foto: Mamaclever
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Ich stehe kurz davor mein erstes Kind zu bekommen und ich habe noch nicht darüber nachgedacht ob wir einen Schnuller benutzen wollen oder nicht. Ich kann definitiv Vorteile darin sehen aber eine Freundin von mir hat mir abgeraten überhaupt damit anzufangen, weil mein Kind davon einen möglichen Überbiss bekommen kann.
Genau so sehe ich das auch. Super Beitrag zu einem Thema bei dem mittlerweile immer mehr Eltern auf mich zu kommen. LG Brina
Vielen Dank für das Lob!
wirklich ein super Artikel und genau das, was ich auch von meinem KFO erfahren habe. Bei unserer ältesten war es leider zu spät ihr das nukkeln mit geeigneten Schnullern früh abzugewöhnen und ein Fehlstand war die Folge. Leider bleibt ihr eine längere Behandlung jetzt nicht erspart :/ Bei unserer jüngsten wollen wir den Fehler jetzt nicht machen. Er meinte man könnte das vielleicht auch mit einer sogenannten Mundvorhalteplatte in Angriff nehmen. Vielleicht aus super interessant darüber mal etwas zu lesen?
Danke für den tollen Artikel,
liebste Grüße, Emma