Langzeitstillen ohne große Einschränkungen für die Mutter – wie geht das?
Das Kind länger stillen als sechs Monate – wie soll das gehen, ohne dass man als Mutter ständig ans Kind gefesselt ist? Was, wenn das Kind früh eine Krippe besuchen oder zur Tagesmutter gehen soll oder wenn man bald schon wieder arbeiten muss? Viele Mütter können sich nicht vorstellen wie das ist, wenn man sein Kind über das erste Lebensjahr hinaus noch stillt. Mein Erfahrungsbericht, wie langes Stillen im Alltag möglich ist, ohne dass man als Mutter auf irgendetwas verzichten muss.
Vorneweg: Ich bin keine der Mütter, die sich für ihre Kinder komplett aufopfern, die jahrelang zu Hause bleiben, um sich um die Kinder zu kümmern, die eigene Interessen zurückstellen um der lieben Kleinen willen. Mir ist eine bindungsorientierte Erziehung wichtig, ich habe getragen, sechs Monate voll gestillt und die Kinder schliefen lange im Elternschlafzimmer, aber ich bin auch so egoistisch, dass mir mein eigenes Leben ebenfalls wichtig ist. Meine beiden Kinder kamen mit 14 Monaten in die Krippe und ich habe wieder angefangen zu arbeiten.
Vor der Geburt meines Sohnes hätte ich ehrlich gesagt nicht gedacht, dass ich ihn als Kleinkind noch stillen würde. Ich fand es vielmehr etwas seltsam, als mir meine Hebamme erzählte, dass sie ihre Kinder bis zum Alter von drei und fünf Jahren gestillt hatte. Aber es hat sich dann einfach so ergeben, dass ich ihn 20 Monate lang gestillt habe. Und meine Tochter wird bald zwei und wird immer noch abends vor dem Einschlafen einmal gestillt – sofern ich zu Hause bin.
Wie das geht, ohne dass man jahrelang zu Hause bleibt, sich nicht mehr verabreden kann und auf Alkohol komplett verzichten muss, will ich euch in diesem Text schildern.
Muttermilch auch aus der Flasche
Vielleicht hätte ich nicht so lange gestillt, wenn es nicht auch die Möglichkeit gegeben hätte, den Kindern abgepumpte Muttermilch aus dem Fläschchen zu geben. Da ich meinen Sohn am Anfang mit Stillhütchen stillen musste und er dadurch nicht genug Milch aus der Brust bekam und deshalb nicht ausreichend zugenommen hat, musste ich schon früh zusätzlich abpumpen, um zuzufüttern. Das haben wir anfangs mit Hilfe einer Kanüle getan, die wir am kleinen Finger befestigt haben und an dem er dann saugte. Das war für uns als Eltern okay, aber dem Opa als Babysitter wollten wir das nicht zumuten. Deshalb haben wir ziemlich früh versucht, das Kind auch mit der Flasche zu füttern – was geklappt hat. So konnte Mama auch problemlos allein zur Rückbildungsgymnastik gehen und später dann auch mal ein paar Stunden alleine Shoppen.
Bei Kind Nummer 2 klappte das Stillen von Anfang an problemlos ohne Stillhütchen, aber auch da haben wir nach etwa sechs Wochen die Flasche eingeführt. Viele stillende Mütter haben da Bedenken wegen der Gefahr einer Saugverwirrung – unsere Hebamme, eine IBCLC-Stillberaterin, hat uns dagegen gesagt, dass man die Flasche nicht zu spät einführen sollte, wenn man auch mal abgepumpte Muttermilch füttern will. Sonst werde die vom Kind häufig nicht mehr akzeptiert. Auch dieses Mal hat das Flaschenfüttern geklappt, ohne dass es zu einer Saugverwirrung kam. Ich hatte also bei beiden Kindern schon früh die Möglichkeit, auch mal für mehrere Stunden weg zu sein. Beide Kinder bekamen übrigens mit etwa sechs Wochen einen Schnuller – also auch mit Schnuller steht langem Stillen nichts im Wege.
Beikost mit sechs Monaten
Beikost habe ich beiden Kindern zum ersten Mal angeboten, als sie sechs Monate alt waren. Beide waren ziemlich schnell davon begeistert, so dass sie nach der Mittags-Breimahlzeit nicht mehr an die Brust wollten. Wieder ein Stückchen mehr Freiheit – ich konnte im Urlaub tauchen gehen, als mein Sohn etwas über sechs Monate alt war. Ich habe ihn davor gestillt, Papa hat dann den Brei gegeben und zur nächsten Stillmahlzeit war ich wieder zurück.
Statt vorher acht Mal am Tag stillte ich ihn bald nur noch sechs Mal. Mit jedem neuen Brei fiel eine Stillmahlzeit weg, obwohl ich sie eigentlich gar nicht ersetzen wollte. Es hat sich einfach so ergeben, weil das Kind satt war und nicht mehr nach der Brust verlangte. Nach dem Mittagsbrei haben wir den Abendbrei eingeführt, zuletzt den Brei morgens. So passte es am besten zu den Stillzeiten und die Brust wurde weiterhin halbwegs regelmäßig geleert – und damit war auch weiterhin Milch da. Hätte ich als zweite Beikostmahlzeit morgens Brei gegeben, dann hätte ich zwischen drei Uhr nachts und 16 Uhr nicht gestillt.
Als er neun Monate alt war, bekam mein Sohn dreimal täglich Brei und wurde noch viermal innerhalb von 24 Stunden gestillt: Zwischen 23 und 0 Uhr wenn wir zu Bett gingen, gegen 3 Uhr nachts, zwischen 6 und 7 Uhr morgens und nachmittags um 16 Uhr. Abends mal weggehen, war also kein Problem. Auch ein Gläschen Wein zum Abendessen war wieder möglich, der Alkohol war bis Mitternacht längst abgebaut.
Milchfläschchen gab es bei uns nie – weder mit Pre- noch mit Kuhmilch. Letztere trank er wenn dann mal zum Frühstück. Und die Muttermilch war mit vier Mahlzeiten immer noch Hauptnahrungsquelle wie im ersten Lebensjahr empfohlen.
Mit 13 Monaten waren wir bei drei Stillmahlzeiten innerhalb von 24 Stunden angekommen: Um 16 Uhr, gegen Mitternacht wenn wir ins Bett gingen und dann nachts, meistens so gegen 3 oder 4 Uhr. Das nächtliche Stillen war kein Problem, weil sein Bett noch direkt neben meinem Bett im Elternschlafzimmer stand. Ihn anders wieder zum Schlafen zu bringen, wäre für alle sehr viel anstrengender gewesen als das kurze Stillen.
Kita und Stillen – problemlos möglich
Morgens wollte er lieber seinen Brei und verlangte nicht mehr nach der Brust. Die Kita-Eingewöhnung war kein Problem bei den Zeiten – er ging sechs Stunden hin und so konnte ich ihn nachmittags problemlos stillen. Ich verstehe nicht, warum viele denken, Kita und Weiterstillen schließe sich aus. Das Kind ist ja selten länger als acht Stunden dort. Ich habe vielmehr die Erfahrung gemacht, dass meine beiden noch gestillten Kinder auch in den ersten Kitamonaten, die jeweils im Herbst/Winter waren, anders als die meisten anderen Kinder kaum krank waren.
Ich war mittlerweile die einzige in meinem Umkreis, die ihr Kind noch stillte und machte mir schon Gedanken, ob das normal und gut ist. Ich habe dann recherchiert und kam zu dem Ergebnis, es hat für Mutter und Kind nur Vorteile lange zu stillen. Also machte ich weiter, es gab einfach keinen guten Grund, aufzuhören. Auch den Brüsten schadet langes Stillen nicht, im Gegenteil: Schnelles Abstillen ist viel schädlicher fürs Gewebe, als die Stillhäufigkeit über einen langen Zeitraum stetig zu reduzieren.
Mit 14 Monaten hatte sich das Stillen nochmals reduziert, auf zweimal: einmal in der Nacht und einmal am Nachmittag. Wir waren dann oft nachmittags auf dem Spielplatz und da fand er alles andere spannender als die Brust, so dass sich das nachmittägliche Stillen auch irgendwann erledigte. Ich stillte ihn also nur noch einmal in der Nacht. Dummerweise immer kurz nachdem ich selbst gerade eingeschlafen war. Das wollte ich irgendwann nicht mehr. Deshalb begann ich, ihn zu stillen, bevor ich ihn ins Bett brachte. Ich habe ihm erklärt, dass es die Brust jetzt nur noch abends vor dem Einschlafen gibt und erstaunlicherweise hat das ziemlich schnell geklappt.
Die Brust wird nur verlangt, wenn Mama da ist
Und dann war es so, dass er vor dem Zubettgehen gestillt wurde, wenn Mama da war. War ich beim Sport oder verabredet, dann brachte ihn Papa ins Bett. Die Brust verlangte er da nicht. Eines Tages war ich donnerstags beim Sport und freitags verabredet. Am Samstag hatte ich keine rechte Lust zu stillen, denn die rechte Brust, die dran gewesen wäre, tat in letzter Zeit immer ziemlich weh. Wahrscheinlich war nicht mehr viel Milch drin und das Kind saugte dann zu doll. Also bat ich meinen Mann, unseren Sohn ins Bett zu bringen. Er tat das dann auch und der Kleine verlangte nicht nach Mama. Sonntags machten wir es genauso. Am Montag brachte ich ihn wieder ins Bett und wenn er die Brust eingefordert hätte, dann hätte ich sie ihm gegeben. Das tat er aber nicht – und so war unsere Stillbeziehung nach 20 Monaten vorbei. Im beiderseitigem Einverständnis sozusagen.
Bei meiner Tochter lief das ganze sehr ähnlich. Auch bei ihr verringerte sich mit der Beikosteinführung automatisch die Zahl der Stillmahlzeiten. Mit eineinhalb wurde sie noch zweimal gestillt – einmal so gegen 3 Uhr nachts und dann wenn sie morgens aufwachte. Das nächtliche Stillen verlegte ich dann wie bei meinem Sohn auf den Abend und mit 19 Monaten sah es dann so aus, dass sie einmal vor dem Einschlafen und einmal frühmorgens gegen 5 Uhr gestillt wurde. Damals wachte sie morgens immer so früh auf. Das lag auch daran, dass sie abends oft nicht viel aß und dann einfach Hunger hatte.
Ich bin ein echter Morgenmuffel und das morgendliche Stillen ging an die Substanz. Also reduzierte ich das Stillen auf einmal abends, als sie 21,5 Monate alt war. Ich erklärte ihr frühmorgens, die Brust sei leergetrunken, die gebe es nur noch abends. Am Anfang hat sie protestiert, aber nach ein paar Tagen hat sie das so hingenommen. In dem Alter verstehen die Kinder ja schon einiges. Gleichzeitig achtete ich darauf, dass sie abends genügend Kalorien zu sich nahm. Und bot ihr zur Not morgens eine Banane im Bett an, die sie auch gerne aß.
Seitdem wird sie nur noch abends vor dem Schlafengehen gestillt – wenn ich zu Hause bin. Wenn ich nicht da bin, bringt sie Papa oder der Babysitter problemlos ohne Brust ins Bett. Nur wenn sie krank ist oder sich anders überhaupt nicht beruhigen lässt (was ein, zweimal vorkam), gibt es die Brust auch mal ausnahmsweise nachts.
Warum abstillen, wenn das Stillen keine Einschränkungen mit sich bringt?
Und so geht das jetzt wohl weiter, bis sie nicht mehr will, was mir eher unwahrscheinlich erscheint. Ich werde irgendwann in den nächsten Monaten mal eine Mama-Auszeit machen, vier Tage auf ein Yoga-Retreat gehen. Ich denke mal, danach hat sich die Sache mit dem Stillen für uns dann automatisch erledigt. Und wenn nicht, dann machen wir halt so weiter wie bisher. Ich kann ab 20 Uhr Alkohol trinken, ich kann mich abends verabreden und wenn ich über Nacht weg sein will, dann wäre das hier auch kein Drama. Das Stillen schränkt mich überhaupt nicht ein, ich muss auf nichts verzichten – und deshalb habe ich überhaupt keinen Leidensdruck und sehe keinen Grund, abzustillen.
Dass ich zur Langzeitstillerin geworden bin, liegt sicher auch daran, dass ich die Möglichkeit hatte, den Kindern abgepumpte Milch zu geben und vielleicht auch daran, dass sie beide einen Schnuller akzeptierten. So tranken sie an der Brust in erster Linie und nutzten sie nicht nur zum Nuckeln. Es war auch nie so, dass sie als sie älter waren ständig an die Brust wollten und mir ständig an die Bluse gingen. Das hätte ich irgendwann sicher nicht mehr gewollt und es hätte mich gestört. Wir hatten (natürlich nicht in den ersten sechs Monaten!!!) halt feste Rituale und einigermaßen feste Zeiten, zu denen gestillt wurde. Und ab einem bestimmten Alter fand das Stillen fast nur noch zu Hause statt, so dass auch der (gesellschaftliche) Druck von außen mich nicht mehr tangierte. Wobei ich inzwischen ziemlich offen damit umgehe, dass ich meine Tochter noch stille. Ich weiß die guten Argumente schließlich auf meiner Seite.
Ich hoffe sehr, dass dieser Erfahrungsbericht zeigt, dass sich Außerhausbetreuung, Berufstätigkeit und Langzeitstillen nicht ausschließen müssen und dass sich Mütter, die lange stillen, keinesfalls aufopfern und auf ihr eigenes Leben verzichten müssen.
Fotos: Mamaclever, Pixabay
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Dankeschön für den schönen Bericht. Mir gings ähnlich. Für mich war klar, dass ich nach 6 Monaten wieder arbeiten gehe, mein Mann hat unser Kind zuhause betreut und nach 1 Jahr ging es zur Tagesmutter. Ich habe 2 Jahre gestillt.
Ich hatte am Anfang furchtbare Stillprobleme und habe gleich nach einer Woche mit Milchabpumpen anfangen. Wir haben mit einem Sauger gefüttert, der der Mutterbrust nachempfunden ist, damit es zu wenig Saugverwirrung kommt.
Auf Arbeit habe ich mit einer Superduperpumpe abgepumpt (elektrisch, gleichzeitiges schonendes Abpumpen auf beiden Brüsten, mit Still-BH zum einklemmen der Abpumptrichter. ich konnte sogar am Laptop sitzen und Mails schreiben. Es war sogar ein Rucksack dabei mit Extra Tasche für Kühlakkus zum Fläschchen nachhause tragen). Die Stillzeit ist Arbeitszeit laut Mutterschutzgesetz, die Firma musste mir auch einen Raum zur Verfügung stellen! Kollegen waren zwar teilweise verwirrt, aber die Meisten hatten selber Kinder und haben das Konzept verstanden 🙂 Mein Mann hat die Milch zuhause am nächsten Tag gefüttert. Oft hab ich auch was eingefroren.
Gestillt hab ich vor dem Gehen und beim Zurückkommen. Wenn ich nicht da war (auch bei Oma und Opa) hat mein Kind viel länger ohne Stillen ausgehalten, als wenn ich da war. Kinder sind einfach biologisch auf Betreuung durch Nicht-Mama ausgelegt 🙂
Bei der Tagesmutter mit ca 13 Monaten wurde Mittags nicht mehr gestillt und bis zum 2 Geburtstag hat es sich langsam ausgeschlichen und wir haben Abends noch eine Brust gestillt vor dem Zu-Bett-Gehen. Irgendwann war ich krank und hatte keine Lust mehr und dann hab ich gefragt: “Zuerst stillen und dann Vorlesen oder gleich Vorlesen?”, die Antwort war “Vorlesen”. Und seit dem Stille ich nicht mehr 🙂
Selbst wenn mein Kind krank ist ist es super fit und geht weiterhin in die Betreuung, hüpft und rennt durch die Gegend. Aber wenn mal was Schlimmes war (vom 1.5 Meter Keltterturm fallen, ständiges Fiebermessen durch Krankenhauspersonal im Ohr bei super schmerzhafter Mittelohrenzündung,..). war ich heilfroh, dass ich einfach mein Wundermittel auspacken konnte, Kind andocken und Zaubertrank füttern – hat uns beide beruhigt. Ich hab auch überall gestillt. Nach einer Weile war’s mir echt egal. Kind brüllt Brust raus.
Stillen hat mir geholfen, meinen stressigen Arbeitsalltag zu verkraften, weil das Stillhormon einfach beruhigt 🙂 Ich hab besser geschlafen, konnte mit den Schreiattacken meines Chefs besser umgehen,…
Trotz meiner Schmerzen (bis zum Schluß) bin ich wirklich froh, dass ich durchgehalten habe. ich sehe, es hat uns allen so viel gebracht!
Liebe Mara,
Danke, dass Du hier Deine ermutigenden Erfahrungen teilst!
Liebe Grüße,
Eva Dorothée
Danke für diesen Artikel, ich finde, man kann nicht oft genug lesen, dass Stillen “das eigene Leben” nicht ausschließt. Da freu ich mich natürlich, weil ich es ähnlich mache.^^ Meine erste Tochter habe ich 22 Monate gestillt und ging Vollzeit arbeiten, seit sie 10M war. Sogar kurze Dienstreisen von 2, 3 Nächten hat sie geskippt und weitergetrunken, wenn ich zurück kam. Jetzt beim 2. Kind gehe ich wieder nach 10 Monaten arbeiten, grade wird sie in der Krippe eingewöhnt. Vorher, nachher und nachts stille ich sie, dort isst sie mit den anderen Kindern. Pulvermilch habe ich bei beiden (bislang) nicht verwendet. Auch, dass beide glücklicherweise bislang fast nie krank waren, möchte ich gerne auf das lange Stillen schieben.