Wenn die Krippeneingewöhnung naht, dann beschert das vielen Eltern Bauchschmerzen. Sie haben Angst vor den Tränen ihres Kindes und sind sich oft nicht sicher, ob ihr Baby in der gewählten Betreuungseinrichtung wirklich gut aufgehoben ist. Zudem lassen nicht alle Mütter oder Väter ihre Kinder ganz freiwillig in Krippen betreuen – häufig bleibt ihnen finanziell keine andere Möglichkeit, als nach einem Jahr Elternzeit wieder arbeiten zu gehen. Damit das Kind gut in der Krippe ankommt, ist eine vernünftige Eingewöhnung extrem wichtig. Wie die abläuft und wie sie besser gelingen kann, lest ihr hier.
Ein Kind unter drei Jahren in die Krippe zu geben, ist ein Schritt, der den meisten Eltern nicht leicht fällt. Vielen graut schon Monate bevor es los geht vor der Krippeneingewöhnung. Dass sich Eltern Gedanken machen, ist in jedem Fall berechtigt. Denn nicht nur den Kindern fällt die zeitweise Trennung von den Eltern zumindest am Anfang schwer. Vor allem auch für die Mütter, die oft fast jede Minute mit ihrem Kind verbracht haben, ist es nicht leicht, ihr Baby in fremde Hände zu geben. Für beide ist es eine Zeit der Veränderungen, die bewältigt werden müssen.
Auswirkungen der Fremdbetreuung
Die gute Nachricht für alle, die sich Sorgen machen, weil sie ihr Kind in die Krippe geben (müssen): In verschiedenen Studien wurden die Auswirkungen von Fremdbetreuung auf Kleinkinder untersucht. Zwischen fremdbetreuten und zu Hause erzogenen Kleinkindern konnten bisher keine größeren Unterschiede festgestellt werden was die emotionale Entwicklung, die Persönlichkeitsentwicklung oder die Beziehungen zu den Eltern betrifft.
Zur kognitiven Entwicklung der Kinder gibt es sogar eine größere Anzahl von Studien, die ergeben haben, dass Fremdbetreuung die Kinder nicht schädigt und sogar ihre Entwicklung fördern kann. Kinder, die außerhalb ihrer Familie betreut wurden, besaßen mehr Kenntnisse, waren kreativer im Umgang mit Materialien, verfügten über mehr arithmetische Fertigkeiten (wie Zählen, Messen usw.), konnten Informationen besser behalten und akkurater wiedergeben und verwendeten einen komplexeren Sprachstil.
Unterschiede zeigten sich auch manchmal im Sozialverhalten der Kinder. Kinder, die Tageseinrichtungen besuchen, sind oft sozial kompetenter, selbstbewusster, durchsetzungskräftiger und offener. Sie fühlen sich in neuen Situationen sicherer, verhalten sich weniger zaghaft und ängstlich, sind hilfsbereiter und kooperativer als Kinder, die zu Hause betreut werden.
Allerdings sind sie auch unhöflicher, weniger verträglich, ungehorsamer, ungestümer, gereizter und aggressiver. Dies wird damit erklärt, dass fremdbetreute Kinder selbständiger und fest entschlossen sind, ihren eigenen Weg zu gehen – ohne jedoch schon über die sozialen Fertigkeiten zu verfügen, mit denen sie dies problemlos erreichen könnten. Deswegen sind sie weniger gehorsam gegenüber ihren Eltern und Erziehern.
Zudem lässt sich aus den vorliegenden Forschungsergebnissen schließen, dass der Einfluss der Familie auf die Entwicklung des Kindes größer ist als jener der Fremdbetreuung. (Quelle)
Erkenntnissen der Bindungsforschung zufolge können Kinder bereits im Alter von sechs bis zwölf Monaten Bindungen über die Mutter hinaus zu mehrere Personen aufbauen – also auch zu Erziehern -, vorausgesetzt das Kind hat die Möglichkeit, mit anderen Personen zu interagieren.
Während die Fremdbetreuung von Unter-1-Jährigen am umstrittensten ist, gibt es nur wenige Autoren, die eine stundenweise und individuell aufs Kind abgestimmt Fremdbetreuung im zweiten Lebensjahr als kritisch ansehen.
Das Berliner- und das Münchner Eingewöhnungskonzept
Allerdings ist eine behutsame Eingewöhnung in die Krippe sehr wichtig – und ein Qualitätskriterium für Krippen. Jede gute Kinderkrippe besitzt ein Eingewöhnungskonzept. Ihr solltet euch darüber in jedem Fall informieren, bevor ihr euer Kind irgendwo anmeldet.
Es gibt zwei Eingewöhnungskonzepte, das “Berliner Eingewöhnungskonzept” und das “Münchener Eingewöhnungsmodell”, die beide auf den Forschungsergebnissen und Erkenntnissen der Bindungsforschung basieren und von den meisten Kitas als Grundlage für ihr eigenes Eingewöhnungskonzept dienen.
Bei der Eingewöhnung geht es nicht wie viele meinen in erster Linie darum, dass das Kind die Einrichtung kennen lernt – das passiert nebenbei natürlich auch-, es geht vielmehr darum, dass das Kind eine tragfähige Beziehung, sprich Bindung, zur Erzieherin aufbaut.
Es gibt bislang keine systematischen Untersuchungen, aber Praxis-Erfahrungen zeigen, dass die beiden Modelle, wenn sie richtig umgesetzt werden, funktionieren. Mehrere Studien haben aber auch gezeigt, dass nicht oder nur teilweise eingewöhnte Kinder längere Zeit krank sind und teilweise auch Entwicklungsrückstände zeigen. Auch ihr Bindungsverhalten wurde negativ beeinflusst. Deshalb sollte man auf eine vernünftige Eingewöhnung bestehen und wenn diese nicht gewährleistet ist, vielleicht besser die Kita wechseln.
Eine erfolgreiche Eingewöhnung zeigt sich darin, dass sich das Kind nach der Trennung von der Mutter oder vom Vater von der Erzieherin trösten lässt. Es muss danach neugierig den Raum erkunden und spielen, sich für die anderen Kinder interessieren, gemeinsam mit ihnen essen, sich von der Erzieherin wickeln und ohne Ängste schlafen legen lassen. Bei 80 Prozent der Kinder dauert die Eingewöhnung rund 14 Tage. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie dann komplett abgeschlossen ist. Trennen sich die Kinder einigermaßen gut von ihren Eltern, geht die Eingewöhnung in der Gruppe weiter. Wird das Kind zwischendrin krank oder erkrankt die Erzieherin, dann kann es natürlich erheblich länger dauern.
Das Berliner Eingewöhnungsmodell
Das Berliner Eingewöhnungsmodell wurde vom Institut für angewandte Sozialisationsforschung/ frühe Kindheit e.V., kurz „infans“ entwickelt. Die Eingewöhnung dauert insgesamt ein bis drei Wochen, wobei die individuelle Dauer immer das Kind selbst durch sein Verhalten und seine Reaktionen bestimmt.
In den ersten drei bis vier Tagen besucht das Kind zusammen mit dem Vater oder der Mutter die Einrichtung für eine halbe bis zwei Stunden. Das ermöglicht den Kindern, sich langsam an die neue Umgebung zu gewöhnen. Die Anwesenheit des Elternteils gibt ihnen dabei Vertrauen, Mutter oder Vater fungieren sozusagen als “sicherer Hafen”. Eine Erzieherin beschäftigt sich während der Eingewöhnungszeit intensiv mit den einzugewöhnenden Kindern. Sie versucht, mit ihnen in Kontakt zu treten und ihnen Spielmöglichkeiten anzubieten.
Am vierten oder fünften Tag wird das erste Mal versucht, die Eltern kurzzeitig vom Kind zu trennen. Wenn das gut funktioniert und sich das Kind von der Erzieherin trösten lässt, wird der Trennungszeitraum nach und nach immer mehr verlängert. Die Betreuungzeit wird, wenn es klappt, immer weiter ausgedehnt – bis zur gebuchten Betreuungszeit.
Das Münchner Eingewöhnungsmodell
Charakteristisch für das Münchner Modell ist, dass alle Beteiligten, vor allem auch die Kinder, die die Kindertageseinrichtung bereits besuchen, aktiv in die Gestaltung der Übergangsphase mit einbezogen werden und Eltern und Kinder den Alltag der Kindertagesstätte etwa zwei Wochen lang miterleben, bevor eine erste Trennung stattfindet.
Das Münchner Modell entstand in den 1990er-Jahren und wurde immer wieder weiterentwickelt. Das Kind steht dabei noch mehr im Mittelpunkt als beim Berliner Modell und es ist auch zeitlich etwas aufwändiger. Beeinflusst ist es durch die Reggiopädagogik und die Annahme, dass ein Kind von Geburt an ein soziales und kompetentes Wesen ist, welches den Eingewöhnungsprozess aktiv steuert.
Die Eingewöhnungszeit untergliedert sich in fünf Phasen. Vor der eigentlichen Eingewöhnung liegt die Vorbereitungsphase. Dann kommt die Kennenlernphase, der Sicherheitsphase, der Vertrauensphase und nach der eigentlichen Eingewöhnung die Phase der gemeinsamen Auswertung und Reflexion.
Während der einwöchigen Kennenlernphase soll das Kind sich in Anwesenheit der Eltern in aller Ruhe darüber “informieren”, was ihm die Krippe alles zu bieten hat. Das Kind soll dabei wirklich den Kitaalltag erleben. In der zweiten Woche, in der die Eltern auch noch zusammen mit dem Kind in die Kita gehen, geht die Erzieherin aktiv auf das Kind zu und übernimmt nach und nach die Aufgaben, die während der ersten Woche noch den Eltern vorbehalten waren: Wickeln, Füttern etc. In der dritten Woche, also in der Vertrauensphase, trennen sich die Eltern erstmals vom Kind. Diese Phase ist dann abgeschlossen, wenn sich das Kind nach dem Abschied von den Eltern schnell wieder beruhigt, spielt und Kontakt mit den anderen Kindern aufnimmt. Ist dies nicht der Fall, bleiben die Eltern noch ein paar Tage länger mit in der Krippe.
Tipps für Eltern, damit die Eingewöhnung besser gelingt
Ein Elternteil sollte sich auf jeden Fall vier Wochen für die Eingewöhnung komplett frei halten. Eine Krippeneingewöhnung kann man nicht erzwingen und vor allem nicht unter Zeitdruck bewältigen. Kinder spüren sofort, wenn ihre Eltern gestresst sind. Außerdem sollte man kurz nach der Eingewöhnungszeit keinen Urlaub planen und während der Eingewöhnung sollte das Kind keinen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt sein, wie beispielsweise die Geburt eines Geschwisterchens oder ein Umzug.
Es ist außerdem von Vorteil, wenn immer die gleichen Bezugsperson mit dem Kind in die Eingewöhnung kommt. Kommt es mal mit Mama, mal mit Papa und mal mit Oma, dann stellt das das Kind immer wieder vor eine neue Situation.
Ganz wichtig ist auch, dass ihr euch sicher seid, dass euer Kind diese eine Krippe besuchen soll und dort gut aufgehoben ist. Wenn ihr nicht hinter eurer Entscheidung steht und dem Kind vermittelt, dass etwas Tolles auf es zukommt, dann überträgt sich das und erschwert die Eingewöhnung. Eine Offenheit für die Vorschläge der Pädagoginnen ist sicher auch sehr hilfreich. Ziel ist eine vertrauensvolle Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erziehern.
Empfohlen wird, dass bei der Aufnahme mehrerer Kinder höchstens zwei Kinder pro Woche mit der Eingewöhnung beginnen sollten – als Eltern solltet ihr in der Einrichtung ansprechen, wie das gehandhabt wird. Da auch unter günstigen Voraussetzungen im Eingewöhnungsprozess hohe Anpassungsleistungen von den Kindern verlangt werden, die für die Kinder sehr anstrengend sind, sollten die Kinder während der ersten Wochen die Kita außerdem nur halbtags besuchen.
Auch wenn sich viele Eltern gerne heimlich herausschleichen würden, um selbst den Abschied zu umgehen, wäre das kontraproduktiv. Bevor ihr den Gruppenraum verlasst, solltet ihr euch immer direkt vom Kind verabschieden – auch wenn die ersten Trennungen meistens nur ein paar Minuten dauern. Andernfalls verliert das Kind das Vertrauen in euch und wird zusätzlich verunsichert. Für das Kind ist es wichtig zu sagen: “Ich gehe jetzt und hole dich später ab!” Wenn ihr euer Kind nach der Trennung wiederseht, solltet ihr mit ihm direkt die Krippe verlassen. So versteht das Kind, dass das Erscheinen des Elternteils bedeutet, dass es jetzt abgeholt und nach Hause gebracht wird.
Welchen Kindern fällt die Eingewöhnung besonders leicht?
Dazu sagt die Krippenpsychologin Sabine Kowatsch im Interview mit der Zeitschrift Eltern, dass das vor allem Kinder von Eltern sind, die ganz ruhig und optimistisch die Eingewöhnung angehen. Aber auch Kinder, die vor dem Krippenstart öfters von den Großeltern oder dem Babysitter betreut wurden, nähmen die neue Situation besser auf. In diesem Fall kennen auch die Eltern die Trennungssituation schon und sind dementsprechend gelassener. Es ist also vielleicht eine gute Idee, das Kind vor Krippenstart schon das ein oder andere Mal von den Großeltern oder einem Babysitter betreuen zu lassen.
Auch Kinder mit großen Geschwistern gewöhnen sich mitunter schneller an die Krippe. Sie haben die großen Geschwister dort schon einmal abgeholt, sehen, dass die sich dort wohl fühlen und auch die Eltern wissen, dass ihre Kinder in der Krippe gut aufgehoben sind.
Keine Angst vor Tränen
Vielen Müttern blutet das Herz, wenn ihre Kleinen anfangen zu weinen. Doch Tränen bedeuten nicht, dass eine Eingewöhnung nicht erfolgreich war. Im Gegenteil: Sie sind eigentlich ein gutes Zeichen. Wenn ein Kind gegen den Abschied protestiert – egal ob mit Tränen oder ohne – ist das vollkommen okay, denn es zeigt, dass es gut gebunden ist. Das Vertrauen zur Erzieherin sollte jedoch so groß sein, dass sich das Kind von ihr danach innerhalb kurzer Zeit trösten lässt und das Spielangebot in der Gruppe annehmen kann.
Besonders interessant fand ich bei der Recherche für diesen Artikel die Aussage, dass sicher gebundenen Kindern die Trennung schwerer fällt und sie zwei bis drei Wochen brauchen, während unsicher gebundene Kinder häufig nach ein bis zwei Wochen eingewöhnt sind. Natürlich spielt aber auch das Alter und der Entwicklungsstand eine große Rolle. Wenn man ein Kind beispielsweise während der Fremdelphase (beginnt meist im achten Monat) eingewöhnt, wird die Eingewöhnung länger dauern.
Weiterführende Quellen:
http://www.erzieherin-ausbildung.de/praxis/fachtexte-leitfaeden-alltagshilfen/eingewoehnungsmodelle-und-ihre-bedeutung-fuer-die
Fotos: Mamaclever