Viele schwören ja auf die überaus günstige Regenkleidung vom Discounter. Auch ich konnte nicht widerstehen und habe einst eine Regenhose für meinen Sohn von Lidl gekauft. Ich zweifelte daran, dass es bei sehr teuren und Discountermarken wirklich Unterschiede in der Wasserdichtigkeit gibt. Auf der Packung stand schließlich, die Matschhose sei wind- und wasserdicht und habe versiegelte Nähte. Was will man mehr? Aber kaum setzte sich mein Sohn mit der Hose auf dem Wasserspielplatz in einen kleinen See, hatte er einen nassen Popo. Dies veranlasste mich, mal zu recherchieren, was es mit der Wasserdichtigkeit eigentlich auf sich hat.
Bei Schutzkleidung gegen Regen tritt die europäische Norm EN 343:2003 in Kraft. Laut ihr ist ein Stoff ab 800 Millimetern Wassersäule wasserdicht Klasse 2 und ab 1300 Millimetern wasserdicht Klasse 3. Und da kein Mensch sich konkret vorstellen kann, was denn Klasse 2 und 3 nun bedeutet, lautet die Faustformel in Deutschland, dass ein Stoff ab 1500 Millimetern Wassersäule wasserdicht ist. In der Schweiz ist man da allerdings strenger. Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) in Sankt Gallen sagt, dass ein Stoff erst ab 4000 Milliliter Wassersäule wasserdicht ist. Sie hat in einem aufwendigen Funktionsjackentest aber auch herausgefunden, dass es in der Praxis keinen großen Unterschied macht, ob man eine Wassersäule von 10000 oder 50000 Millimeter hat.
Was die Wassersäulen-Angabe auf Regenkleidung bedeutet
Was soll das mit der Wassersäule eigentlich genau bedeuten? Der Ermittlung der Wasserdichte liegt eine Druck-Prüfung zugrunde. Auf ein Stück Stoff wird über einen bestimmten Zeitraum ein bestimmter Druck in Form einer Wassersäule ausgeübt. Hat ein Stoff eine Wassersäule von 2000 Millimetern, dann kann man sich das so vorstellen, dass er erst dann wasserdurchlässig wird, wenn das Wasser zwei Meter hoch auf dem Stoff steht.
Für die Praxis und zur Beurteilung, wie wasserdicht eine Regenhose oder ein Schneeanzug sein müssen, hilft das allerdings nicht viel weiter. Da sind folgende Informationen hilfreich: Laut Wikipedia werden beim Sitzen auf feuchtem Untergrund rund 2000 Millimeter Wassersäule aufgebaut, geht man in die Hocke sind es bereits 4800 Millimeter. Und das hängt dann wiederum davon ab, wie schwer der oder die Hockende ist.
Wasserdicht werden Stoffe entweder durch eine spezielle Beschichtung oder durch Membranen wie Gore-Tex oder Sympatex. Letztere haben eine Wassersäule von 10000 bis 30000 Millimeter, ein durchschnittlicher Zeltboden bringt es auf 2000 Millimeter.
Wenn also irgendwo draufsteht, die Jacke oder Hose sei wasserdicht, aber keine Wassersäule angegeben ist, dann sagt das nicht sehr viel aus. Im schlechtesten Fall hat der Stoff nur eine Wassersäule von 800 Millimetern und lässt Nässe schnell durch.
Und nicht allein die Wasserdichtigkeit des Materials zählt, auch die Konstruktion der Jacke ist enorm wichtig. Nähte beispielsweise müssen mit einem extra Band auf der Innenseite wasserdicht versiegelt werden, damit sie dicht sind; viele Reißverschlüsse benötigen Abdeckleisten, sonst läuft das Wasser ins Jackeninnere.
Regenkleidung, die absolut dicht ist, ist nicht atmungsaktiv
Wichtig zu wissen ist auch, dass es eine absolute Wasserdichtheit in Kombination mit Atmungsaktivität nicht gibt. Natürlich kann man auch absolut wasserdichte Materialien fertigen, diese sind aber dann auch nicht mehr atmungsaktiv. Das heißt, das Kind schwitzt darin so stark, dass es auch nass ist – nicht von außen, aber von innen.
Der Begriff “Atmungsaktivität” ist in erster Linie ein Begriff aus der Werbung. Genau genommen ist hier niemand aktiv, es klingt jedoch besser als der korrekte Begriff “Wasserdampfdurchlässigkeit”. Der Begriff bezeichnet die physikalische Eigenschaft des Materials, Wasserdampf bzw. Schweiß von innen nach außen entweichen zu lassen. Angegeben wird die Atmungsaktivität in der Einheit g/m2/24h. Je höher der Wert, desto besser die Atmungsaktivität. Als Mindestvoraussetzung für ein atmungsaktive Outdoor-Kleidung wird ein Wert von 1000 angegeben. Teure Schneeanzüge, beispielsweise von Ticket Outdoor*, haben zum Beispiel einen Wert von 5000 bis 8000.
Allerdings funktioniert die Eigenschaft der “Atmungsaktivität” nur dann, wenn es einen möglichst großen Temperaturunterschied zwischen Körpertemperatur und Außentemperatur gibt. Je kälter und trockener es ist, desto besser funktioniert die Atmungsaktivität. Das heißt aber auch, dass mit steigenden Temperaturen und damit oft einhergehend höherer Luftfeuchtigkeit der Dampfdurchlass immer stärker nachlässt. Ist es wirklich heiß, dann kommt es auch bei der teuersten und besten Membran zu einem Nässestau.
Welche Regenkleidung kaufen?
Als preiswerte Alternative für den kurzen Einsatz eignet sich einfach PU-beschichtete (Polyurethan) Regenbekleidung. Sie ist wasserdicht und leicht, man sollte sich aber immer darüber im klaren sein, dass sich in dieser Regenbekleidung schon nach kurzer Zeit Kondenswasser bildet, da diese „Plastiktüten“ keinerlei Feuchtigkeit abgeben können und es sehr schnell zu einem Wärmestau kommt.
Wer deshalb zu sehr teurer Funktionskleidung greifen will, sollte sich allerdings überlegen, wie oft und wie lange das Kind eigentlich im Regen draußen ist. Wenn es in Strömen regnet, sind selbst Kinder nicht stundenlang draußen – es sei denn sie besuchen einen Waldkindergarten. Für den kurzen Schauer, den sanften Nieselregen oder den Regen bis zum nächsten Unterstand braucht man eigentlich keine absolut wasserdichte und aufwendig abgeklebte Jacke. Und wie oft gibt es hierzulande in einem normalen Winter überhaupt Schnee? Da ist es schon fraglich, ob sich ein Schneeanzug mit 8000er-Wassersäule und ebenso hoher Atmungsaktivität wirklich lohnt.
Foto: Flickr/Chrisada unter CC BY-ND 2.0