Minis in Modelpose: Eltern wetteifern im Internet darum, wer das schickste Kind hat
Ein neuer, bedenklicher Hype greift im Internet um sich: Eltern stecken ihren Nachwuchs immer öfter in Designer-Klamotten und wetteifern um die schönsten Mini-Models. Die Zurschaustellung und Sexualisierung der Kleinen wirkt oft grotesk – und erntet viel Kritik.
Er trägt Ray-Ban-Brillen, Röhrenhosen und maßgeschneiderte Anzüge. Er posiert mit Händen in den Hosentaschen, die Ärmel seiner Jacke hat er lässig hochgekrempelt. Statt in Matschhosen und T-Shirts mit Comic-Helden, zeigt er sich in Luxusmarken wie Dior, Tom Ford und Gucci. Er ist eine Stilikone. Und er ist erst fünf Jahre alt.
Alonso Mateo ist ein kleiner Star auf der Bilderplattform Instagram. Dort postet seine Mutter Luisa Fernanda Espinosa, eine mexikanische Stylistin, die in Kalifornien lebt, fast täglich Fotos von ihrem Sohn. Rund 500.000 Leute haben die Bilder bereits abonniert und auch auf Facebook gibt es fünf Seiten, von denen die beliebteste 75.000 Fans zählt. Bekannt wurde der kleine Trendsetter, als der Promi-Stylist Ugo Mozie im vergangenen Jahr Bilder von Alonso Mateo twitterte.
Dass Kinder zu Stilikonen werden, ist nicht neu. Prominente Eltern setzen ihren Nachwuchs gern in Szene: Suri Cruise mit ihren hochhackigen Schuhen ist das bekannteste Beispiel, aber auch Maddox Jolie-Pitt und Harper Seven Beckham sind Trendsetter in Sachen Mode. Immer mehr Internetseiten beschäftigen sich ausschließlich mit dem Nachwuchs der Prominenz samt Kleidung und Accessoires.
26.000 Fans auf Instagram
Neu ist allerdings das Phänomen, dass ganz normale Eltern ihre Kinder mit Designer-Klamotten ausstatten und dann im Internet ziemlich durchkomponierte Bilder der Mini-Models veröffentlichen. Auch der gerade mal einhjährige Jacob aus Malaysia hat dank seiner Mutter Shaine Wong schon 26.000 Fans auf Instagram, wo er unter Jaco3oy zu finden ist. Die 27-jährige Vollzeitmutter fing Anfang 2013 an, Bilder ihres süß gekleideten Nachwuchses zu teilen, anfangs nur mit Familie und Freunden. Aber als Jacobs Garderobe wuchs – seine Mutter bevorzugt Klamotten von Marc Jacobs für ihn –, stieg auch die Zahl der Fans.
Es scheint ein Wettstreit im Internet ausgebrochen zu sein, wessen Kind das niedlichste, coolste oder das am originellsten angezogene Model ist. Der Brasilianer Wilson Dorigon bietet die Plattform, auf der Eltern die Kleinen dazu benutzen, ihren eigenen Ehrgeiz und ihre Eitelkeit zu befriedigen – und sich nur wenig Gedanken über die Folgen für die Kinder machen. Er gründete im Februar 2012 Fashionkids als einfachen Account für Eltern, die sich inspirieren lassen wollen. Er startete mit ein paar „Outfits of the Day“ von Kindern aus seinem Umfeld, heute hat die Seite auf Instagram 3,1 Millionen Anhänger, zu denen auch Rihanna und Kim Kardashian gehören.
Mehr als 3.400 Fotos von Kleinkindern finden sich dort. Die Kinder sind oft angezogen wie Erwachsene und posieren auch so. Gerade bei kleinen Mädchen mutet das oft grotesk an. Nach eigenen Angaben erreichen Dorigon täglich 400 Bilder aus aller Welt, die mehrheitlich von den Eltern eingereicht werden. Die wetteifern um den Titel „Outfit des Tages“ oder „Fashion Kid des Monats“ und um die Zahl der Likes. Dorigons Auswahl ist streng, nur die coolsten Kids werden veröffentlicht.
In den Regeln der Seite heißt es, man wolle in einer angemessenen Weise über Kindermode sprechen, Obszönitäten, Rassismus oder Sex haben keinen Platz, genauso wenig wie persönliche Attacken. Bis zu 79.000 Gefällt-Mir-Angaben erhalten einzelne Bilder, aber es finden sich auch immer wieder kritische Kommentare.
Fotos könnten Pädophile anziehen
Man solle Kindern die Kindheit lassen und sie nicht wie kleine Erwachsene anziehen, heißt es dort. Andere kritisieren, dass den Kleinen die falschen Werte vermittelt würden, wenn sie schon so früh mit Markenkult und Schönheitsidealen konfrontiert würden. Sie finden gerade bei Mädchen die sexuell aufgeladenen Posen bedenklich, die auch Pädophile anziehen könnten, oder sie stören sich an der Zur-Schau-Stellung der Kinder, die sich noch nicht gegen den Eifer ihrer Eltern wehren können. Das Internet-Phänomen erinnert ein bisschen an die umstrittenen Miss-Wahlen unter Kindern. In Frankreich sollen diese übrigens demnächst verboten werden, um der Hypersexualisierung von Kindern Einhalt zu gebieten und zu verhindern, dass ihnen von klein an eingetrichtert wird, dass nur ihr Aussehen zähle.
Mike Schnoor, Kommunikationsberater und Autor sieht den neuen Internet-Trend ebenfalls kritisch. Auch wenn die richtigen Namen der abgebildeten Kinder häufig nicht genannt sind, gibt er zu bedenken, dass Pseudonyme in den Nutzernamen nur einen kleinen Schutz. bieten. “Einerseits schreitet die Softwareentwicklung zur Gesichtserkennung unaufhörlich voran. Andererseits hat jeder Nutzer die Möglichkeit, geschützte Inhalte neu zu veröffentlichen. Dabei können die echten Namen
von Freunden und Bekannten in den Kommentaren oder Beschreibungstexten der Fotos zugeordnet werden”, so Schnoor. Im Fall der Fashionkids Seite bei Instagram sind die dortigen Bilder nicht mit Namen versehen, jedoch wird der Nutzername des Urhebers direkt im Beschreibungstext verlinkt. Bei vielen Profilen lesen sich die Klarnamen der Nutzer, also meist die der Eltern. In anderen Profilen stehen zusätzlich die Namen der Kinder. “Wer eins und eins zusammenzählt, findet schnell heraus, um wen es sich auf den Fotos im Instagram-Account der Fashionkids dreht.”
Schnoor gibt zu bedenken, dass sich die Kinder in einigen Jahren vielleicht wünschen, dass ihre peinlichen Modelshootings nicht mehr im Netz kursieren. Sie könnten nämlich Ursache von Mobbing durch Mitschüler werden. “Irgendwann dürfen Kinder und Jugendliche selbst am Rechner sitzen. Finden sie solche Altlasten wie Modelfotos ihrer Mitschüler, gibt es sofort einen Grund, die Klassenkameraden heftig unter Druck zu setzen.”
Bedenklich oder cool? Wie findet Ihr den neuen Trend?
Fotos: Instagram/Beatriz Dornbusch, Instagram/Luisafere, Instagram/Jaco3oy
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